Wie man Empfänglichkeit entwickelt (aus dem Hindi)

Übersetzung eines Satsangs in Hindi, gehalten im Sawan Ashram (deutsches Sat Sandesh 1993, Hefte 3+4)
Auch eine Serie von Rundschreiben, samt zwei Kapitel im Buch “Morgengespräche” (Morning Talks) behandeln dieses Thema.

Wir sind äußerst glücklich zu preisen, dass wir mit einer menschlichen Geburt gesegnet wurden. Der Mensch nimmt einen Platz auf der höchsten Stufe der Schöpfung ein:

“Die ganze Schöpfung ist dazu da, dir zu dienen,
denn du bist der Herr darin.”

Groß ist der Mensch. Er ist Gott selbst am nächsten. Worin besteht die Größe des Menschen? Die Gotteskraft durchdringt alles. Es gibt keinen Ort, ohne Ihn. Aber nur im Menschen ist Seine Kraft in Fülle offenbart. Deshalb kann man Ihn nur in der menschlichen Form erkennen. Wir leben, bewegen uns und haben unser Sein in Ihm und dennoch wissen wir nichts von Ihm. Warum? Weil wir ständig mit äußeren Betätigungen beschäftigt sind und nie eine Gelegenheit hatten, mit Seiner Kraft in uns in Verbindung zu kommen. Die Gotteskraft ist unsere Hauptstütze. In dem Augenblick, in dem sich diese Kraft zurückzieht, wird der Körper leblos. Es ist diese Kraft, die den Körper verherrlicht. Wir sind lediglich ein Bewohner des Körpers und nicht der Körper selbst. Wir sind nicht unlöslich mit ihm verbunden. Während man im Körper lebt, kann man ihm nicht entkommen. Eine Kraft hält Körper und Seele zusammen. Diese Kraft ist nichts anderes als die Gotteskraft, welche das ganze Universum in seiner angemessenen Gestalt und Ordnung zusammenhält. Wir sind nur ein Teil dieser Kraft.

Kabir sagt, dass unser Geist vom Wesen Gottes ist. Moslem-Heilige betrachten ihn ebenso als Amar-i-Rabbi — die Essenz Gottes. Der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen und kann das Rechte vom Falschen unterscheiden. Als solcher kann er an der Wahrheit festhalten und sie durch das, was unwahr ist (den Körper und was zu ihm gehört) erreichen. Nur im menschlichen Körper kann man die Wahrheit erhalten. Aus diesem Grund ist der Mensch besonders gesegnet.

Was ist denn Gott, ist die nächste Frage. Er ist ein Meer des Seins, der Bewusstheit und der Glückseligkeit. Alle diese drei sind Seine Attribute. Unsere Seele, ein Funken des göttlichen Feuers, ist mit ähnlichen Eigenschaften ausgestattet. Liebe ist die verbindende Kraft zwischen beiden. Evolution ist das Gesetz des Lebens. Jedes Lebewesen wächst, weitet sich aus und versucht die Ganzheit des Seins zu umfassen. Nachdem der Mensch nun die höchste Stufe in der Schöpfung erreicht hat, gibt es kein anderes Ziel für ihn, als den Schöpfer zu erkennen und zu verwirklichen. Aber wie soll das geschehen und durch welche Mittel? Die Mittel liegen nicht außerhalb des Menschen, sie sind schon in ihm. Wie ich schon gesagt habe, ist die Liebe das Bindeglied zwischen beiden. Die Liebe nimmt viele Formen an. Sie kann als Hingabe, Verehrung und Zuneigung erscheinen. Selbstversunkenheit ist ein Merkmal der Liebe. Ein Liebender kann nicht ohne den Geliebten leben. Ein Teil ist immer ruhelos, bis er im Ganzen ruht.

Gegenwärtig ist unsere Aufmerksamkeit auf äußere Betätigungen des Lebens, auf die Welt und die weltlichen Bindungen gerichtet. Wie wir denken, so werden wir. Die Seele geht dahin, wohin das Gemüt geht. Das Gemüt ist wiederum an die Sinnesorgane gebunden, und durch die Sinnesorgane fließt unsere Aufmerksamkeit nach außen und unten in die Welt. Das ist in der Tat keine Liebe, sondern Betörung, da wir — wohl oder übel — blindlings in die Außenwelt getrieben und von Sinnesfreuden angezogen werden. Wir sind ziemlich unwissend, was wirkliches Glück ist, weil wir es nie gekostet haben. Unsere Liebe zur Welt ist in Hass, gegenseitige Beschuldigungen, Gruppenbildung, Feindschaft, Engstirnigkeit und dergleichen entartet. Dies könnte man als negative Liebe bezeichnen.

Im Bereich der Dualität haben wir unsere Sympathien und Antipathien, Stolz und Vorurteile, Zuneigungen und Abneigungen und anderes mehr. Solange man sich nicht über das dualistische Dasein erhebt, kann man nicht zu sich selbst kommen und die Wirklichkeit erkennen, noch weniger sie praktizieren. Aber dafür neigt alles dazu, seinen Ursprung zu erreichen. Wenn wir eine Kerze in der Hand halten, geht die Flamme nach oben. Selbst wenn man sie nach unten hält, ist die Flamme immer noch nach oben gerichtet, weil die Sonne, ihre Lichtquelle, über ihr ist. Wenn man andererseits einen Erdklumpen in die Höhe wirft, kommt er durch das Gesetz der Schwerkraft zur Erde zurück.

Die Seele möchte sich zum Himmel erheben, während das Gemüt es nicht will. Daher kommt der Konflikt zwischen beiden. Mit seinen Sirenengesängen verlockt das Gemüt die Seele, wobei es sich der motorischen und kognitiven Fähigkeiten bedient, welche über die neun Körpertore wirken, mit denen wir ausgestattet sind. Wenn wir nur umkehren und uns nach innen wenden könnten, würden wir die wahre Liebe kennenlernen. Aus einem Schlauch mit vielen Löchern träufelt das Wasser heraus. Doch wenn man alle Löcher außer einem verschließt, wird ein kräftiger Strahl aus der einen, unverschlossenen Öffnung hervorschießen. Auf ähnliche Weise zerstreuen wir unsere Aufmerksamkeit durch die unterschiedlichen Kommunikationskanäle, die uns mit der Welt draußen verbinden.

“Wie kann man mit einem von zahllosen Wünschen
und Begierden zerrissenen Herzen
einen Sitz für die Gotteskraft bereitstellen,
auf dass sie herabkomme und darin wohne?”

Wieder heißt es:

“Mit einem in Stücke zerschlagenen Herzen
kann man Gott nicht sehen.”

Wir müssen daher vor allem anderen unser Herz heilen. Das ist eine wesentliche Voraussetzung. Man kann sagen, dass Gott nicht mit den Augen des Fleisches gesehen werden kann. Wie kann man lieben, was man nicht gesehen hat? So weit, so gut. Wie viele Dinge gibt es, von denen wir kein direktes, unmittelbares Wissen haben. Dennoch sprechen wir über sie und machen in unserem täglichen Leben Gebrauch von ihnen.

Nehmen wir nur das Beispiel eines Kraftwerks. Nur wenige von uns erhalten die Gelegenheit, ein Kraftwerk zu sehen und doch sind wir durch die Schalter in unseren Häusern in Verbindung mit ihm und können die Elektrizität einschalten, wie immer wir wollen. Auf die gleiche Weise können wir, wenn wir einem menschlichen Pol, in dem die Gotteskraft in Fülle offenbart ist, nahekommen, und können wir ebenfalls Verbindung durch diesen Pol mit der Gotteskraft aufnehmen, denn ein Gottmensch ist nichts anderes als ein polarisierter Gott. Also müssen wir nach einem menschlichen Pol suchen, in dem die Gotteskraft wirkt und uns auf diesen Pol abstimmen.

Alle Heiligen und Weisen sagen uns, dass wir Gott über alles lieben sollen. Ohne eine solche Verankerung treibt das Gemüt rastlos dahin, bewegt sich unruhig hin und her und findet weder hier noch im Jenseits Ruhe. Wenn man sich von außen abwenden könnte, würde die Liebe zu Gott im Innern von selbst aufkeimen. Unser Problem ist, wie wir uns nach innen wenden und dort bleiben können. Wir müssen etwas im Innern finden, an dem wir unsere Aufmerksamkeit festmachen können. Dieses Hilfsmittel gewährt uns ein kompetenter Meister, der die Gotteskraft in Überfülle in sich hat und der die Fähigkeit besitzt, diese Kraft auch in uns zu offenbaren. Wie Licht von Licht kommt, so kommt Leben von Leben.

Gott ist wahrlich die Seele unserer Seele, aber leider kennen wir Ihn nicht. Wir müssen daher die Gotteskraft in einem Gottmenschen suchen, der durch einen praktischen Prozess der Selbstanalyse fähig darin war, sein Selbst von Körper und Gemüt zu trennen und sich über beide zu erheben. Nur ein solcher kann seinen eigenen Lebensimpuls auf andere übertragen und ihnen eine Erfahrung von der ansonsten unsichtbaren Kraft Gottes vermitteln, welche zwar schon in ihnen ist, aber bisher niemals erfahren wurde.

Dronacharya (der Guru der Pandava Prinzen im Mahabharta Epos) war ein Meister in der Kunst des Bogenschießens. Mit einem Pfeil konnte er die Lippen eines vorbeilaufenden Hirsches schließen. Ein Bhil, ein Angehöriger eines alten Volksstammes, wollte unbedingt diese Kunst zu erlernen, aber Dronacharya wollte ihn nicht als Schüler annehmen, da er einer niedrigen Kaste angehörte. Doch in seinem Lerneifer machte der Bhil eine Abbildung von Dronacharya aus Ton und gab sich ihm ganz hin. Die tägliche Verehrung dieser Abbildung des großen Lehrers, den er mit eigenen Augen gesehen hatte, ließ ihn allmählich eins mit ihm werden. So erlernte er die Kunst, die ihm verwehrt worden war. Es ist überliefert, dass Dronacharya eines Tages einem Hirsch begegnete, dessen Lippen durch einen Pfeil versiegelt waren. Sich umschauend erblickte er in einiger Entfernung einen Bhil, der den Pfeil abgeschossen hatte. Als er sich ihm näherte, fragte er den Bhil, wie er diese Kunst erlernt habe. “Von Dronacharya”, war seine Antwort. Dronacharya überraschten diese Worte, da er nie einen Bhil als Schüler angenommen hatte. Ich stellte mir Dronacharya innerlich vor und lernte dadurch von ihm”, sagte der Bhil.

Wie ihr seht, hat das Gemüt ein großes Potential in sich. Es hat die Kraft, sich in einen, zu dem es sich hingezogen fühlt, gänzlich zu verwandeln, indem es sich mit ständiger Aufmerksamkeit und Hingabe seinem Abbild zuwendet:

“Man kann Gott lieben, indem man den Gottmenschen liebt,
und der Gottmensch offenbart die Gotteskraft im Innern.”

Und wieder heißt es:

“Solange man sich nicht zu der Ebene Gottes erhebt,
kann man Ihn nicht erkennen.”

Wenn ihr also einem Gottmenschen näherkommt, kommt ihr Gott näher. Wir benützen eine Glühbirne nicht wegen des Glases, aus dem sie gemacht ist, sondern wegen des Lichts, das sie spendet. In ähnlicher Weise lieben wir einen Gottmenschen wegen der Gotteskraft, die von ihm ausstrahlt und für unsere spirituelle Erfahrung von Hilfe ist.

Darin besteht die Größe des Meisters. Der Meister hat die Kraft, uns gleichsam wiederherzustellen, uns zu einem ganzen, ungeteilten Individuum zu machen. Wenn einmal die zerstreute Aufmerksamkeit ein wenig gebündelt ist, stellen sich, nachdem die Ausgänge des Körpers verschlossen wurden, Frieden und Heiterkeit ein und der Geistesstrom schießt durch die innere Öffnung empor. Im Gegensatz dazu kann ein gewöhnlicher Mensch, der selbst ein Opfer und Sklave seiner Wünsche ist, einem anderen wohl kaum dabei helfen, sich aus seiner traurigen Zwangslage zu befreien. Wo immer ein Gottmensch weilt, verbreitet er um sich das Licht des Geistes; und wer immer in den Wirkungsbereich seiner persönlichen Ausstrahlung gelangt, hat Nutzen davon.

Einen Meister aufzusuchen kann mit dem Gang in eine Parfümerie verglichen werden. Man hatte vielleicht gar nicht vor, ein Parfüm zu kaufen. Aber man nimmt unwillkürlich den Duft der Essenzen wahr, vorausgesetzt natürlich, man ist geneigt, ihn aufzunehmen.

“Solange das Gemüt hin- und her schwankt,
wird man vom Egoismus weggetragen.
Man kann der Wirklichkeit nicht näher kommen,
noch kann man die Glorie des Wortes erkennen.”

So ist die erste und wichtigste Voraussetzung auf dem spirituellen Pfad, das Gemüt zu beruhigen und es daran zu hindern, dass es im Äußeren umherschweift. Man muss inneres Schweigen entwickeln. Das kann man nur erreichen, wenn man einem in Gott verankerten Heiligen begegnet, dessen Augen von göttlicher Berauschung überfließen. In der Gemeinschaft eines solchen Heiligen fühlt man sich inspiriert und strebt nach höheren Werten des Lebens. Das ist nur durch seine Ausstrahlung zu erlangen. Wenn er uns ein wenig von seinem eigenen Lebensimpuls überträgt und uns augenblicklich zu einem ungeteilten Ganzen macht, werden wir sicher einen Schimmer des Jenseits erhalten. Es ist die Erfahrung eines praktischen Beweises. Aber dafür muss man zumindest einen gewissen experimentellen Glauben haben und für das Experiment bereit sein.

Dieser Punkt ist sehr schön in einem Gleichnis erklärt worden. Einst kamen einige fremde Künstler in ein bestimmtes Königreich und boten dem König ihre Dienste an, indem sie ihn um eine Gelegenheit baten, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Der König stellte ihnen einen Teil einer großen Halle zur Verfügung, damit sie dort ihr Wandgemälde ausführen konnten. Dies entfachte die Begeisterung der ansässigen Künstler und auch sie baten den König um eine Möglichkeit, ihre Kunst zu zeigen. So wies ihnen der König die andere Seite der Halle zu. Um zu verhindern, dass die eine Gruppe die andere nachahmt, wurde ein Vorhang zwischen ihnen heruntergelassen. Beide Seiten begannen eifrig mit ihrer Arbeit. Die Künstler aus dem Ausland wandten ihre Sorgfalt auf zarte Blumenornamente, die einheimischen hingegen machten sich daran, die Wand gründlich abzureiben und zu polieren, bis sie wie ein Spiegel zu glänzen begann. Nachdem diese Arbeit beendet war, wurde der König gebeten, sich anzuschauen, was sie geleistet hatten. Der König war hocherfreut über die schönen Wandgemälde, welche die ausländischen Besucher so kunstreich gestaltet hatten. Er lobte ihre Arbeit sehr. Auch die einheimischen Künstler auf der anderen Seite der Halle baten ihn darum, ihr Werk zu begutachten. Der König, der schon aus Berichten vernommen hatte, dass seine Leute nichts hervorgebracht hätten, was der Rede wert sei, war darüber ein wenig erstaunt. Aber beharrlich baten sie den König, sich ihre Arbeit gleichfalls anzuschauen. Als der trennende Vorhang entfernt wurde, stellte der König überrascht fest, dass sich alles, was die fremden Künstler so schön angefertigt hatten, auf der gegenüberliegenden Wand in makelloser Weise widerspiegelte.

Das ist in der Tat das, was man tun muss. Eure Aufgabe besteht lediglich darin, das Gemüt von allem Staub zu reinigen, der sich seit Äonen darauf abgelagert hat; und wenn dies geschehen ist, muss sich die Ausstrahlung von der anderen Seite (vom Meister) in euch widerspiegeln. Deshalb heißt es:

“Reinige die Kammer deines Herzens
um des Geliebten willen.
Halte alle Gedanken an die Welt fern,
damit dein Geliebter eintreten kann.”

Das wird das Ausjäten des Feldes von allen Dornen und Disteln der Welt genannt. Ohne dies kann man weder den Weg der Hingabe, Bhakti, noch den Weg der intellektuellen Unterscheidung, Jnana, gehen. Bhakti ist die erste Stufe, welche einen befähigt, Jnana näherzukommen. Bhakti führt zu konzentrierter Aufmerksamkeit. Wenn das erreicht ist, leuchtet Jnana von selbst auf. Das Licht Gottes ist in euch und die Musik der Seele ist wahrhaftig euer Leben. Beide sind die Grundlage eures eigentlichen Seins und eurer Existenz in dieser Welt. Nichts muss von außen hineingegeben werden. Der Meister gibt euch einen Auftrieb und hilft euch dabei, euch ein wenig über das Körperbewusstsein zu erheben. Diese Stetigkeit des Gemüts zeitigt von selbst das gewünschte Ergebnis, und das Licht des Lebens leuchtet im Innern auf. In dieser Weise offenbart ein Meister das Licht Gottes in euch. Er lebt in einem Zustand ständiger göttlicher Berauschung, ohne eines Berauschungsmittels zu bedürfen. Ohne Wein ist der Kelch seines Weins immer voll. Wir sind noch immer Liebhaber der Welt und leben in einem Zustand der Betäubung. Ein Gottmensch hingegen ist berauscht in Seinem göttlichen Wesen, denn er isst nichts als Manna und trinkt nichts als das Wasser des Lebens. Er ist ein König im Gewand eines Bettlers. Er lebt in der Abgeschiedenheit seines Herzens und hat dennoch ein unermessliches eigenes Königreich. Er sieht die Welt als Offenbarung Gottes. Augenscheinlich ein Tropfen vom Meer des Allbewusstseins, ist Er doch von diesem Meer nicht getrennt. Das Meer in seiner Fülle wogt in ihm. Wenn man mit einem solchen Gottmenschen in Verbindung kommt, wird man durchtränkt:

Ein einziger Gnadenblick von Ihm reicht aus,
das Wunder zu bewirken.

Es heißt, daß die Augen die Fenster der Seele sind. Seine Seele ist eins mit der Überseele in ihm, und darum kann man sich in seiner heiligen Gegenwart der göttlichen Glückseligkeit erfreuen. In alten Zeiten war die Praxis von Aarti ein weitverbreiteter Brauch. Ein Schüler umkreiste seinen Lehrer mit einer brennenden Lampe (oder Kampfer), und den Bewegungen der Lampe folgend, schaute er in frommer Verehrung zu seinem Meister auf. Es war eine symbolische Form, das äußere Licht in den Augen seines Meisters widergespiegelt zu sehen. Das wahre Aarti besteht nicht darin, Lichter kreisen zu lassen; vielmehr soll der Schüler seine Aufmerksamkeit ganz in der des Meisters aufgehen lassen. Es war eine Art der Kommunikation zwischen den beiden Augenpaaren. Dabei habt ihr selbst nichts zu tun. Ihr müßt nur mit voller Aufmerksamkeit vor dem Meister sitzen und alles um euch herum, selbst euren Körper und euer Gemüt, vergessen. Es hat nichts zu sagen, ob ihr seine Sprache versteht oder nicht. Ihr wendet einfach euren Blick seinen Augen zu, und ihr werdet verstehen, was er meint. Eine wahrhaft große Seele bringt euch mit einem Blick hinüber ins Jenseits. Aber denkt daran, daß es nicht in eurer Kraft steht, seinen Gnadenblick zu erlangen. Gnade kommt nur als Gnade. Durch keine noch so große Klugheit könnt ihr sie erjagen oder nutzbar machen.

Das Geheimnis liegt in der Empfänglichkeit. Zur Zeit von Guru Gobind Singh tanzte ein Schüler von einer Stelle zur anderen, so wie der Blick des Meisters hierhin oder dorthin wanderte. Einmal bemerkte der Guru:

“O Freund, meine Augen sind nicht so wohlfeil,
und du kannst den Nutzen meiner ausdrucksvollen Blicke
nicht ohne weiteres haben.”

Wißt ihr, was geschieht, wenn ein Kalb zur Kuh läuft? Die Euter der liebenden Mutter füllen sich von selbst, um das Junge mit Milch füttern zu können. Ein Blutegel jedoch, der sich an den Eutern festsetzt, saugt dagegen nur Blut und keine Milch. Auf ähnliche Weise erhalten diejenigen, die zum Satsang kommen, das aus ihm, was sie sich am meisten wünschen. Einige werden mit Liebe und Hingabe erfüllt, während andere, die kritisch und skeptisch eingestellt sind, nichts bekommen.

“Unglücklich in der Tat sind jene,
die den Meister lediglich
als (normalen) Mensch sehen.”

Ein Mensch der Sklave seiner Sinne ist und in den Gefilden der Sinnesfreuden umher streift, ist wie ein Hund, der hinter Knochen und Fleisch herrennt. Hier besteht ein großer Unterschied zwischen Menschen und Tieren. Wer innerlich und äußerlich ein wahrer Mensch ist, ruft wie Shamas-i-Tabrez aus:

“O Herr der göttlichen Schenke, gewähre mir einen Becher deines Weines.”

Wie Hafiz bittet er inständig um eine Handvoll dieses Weines:

Ein Schluck von Deinem Wein ist tausend Fässer wert.
Welch himmelweiter Unterschied besteht zwischen den beiden.

Es geht darum, wie man Empfänglichkeit entwickelt. Jede gottberauschte Seele hat ihren eigenen Wahlspruch. Guru Nanak sprach im mer von Sat-Kartar — dem Schöpfungsprinzip — der einzigen Wirklichkeit. Chaitariya Maha Prabhu erfreute sich immer an Hari Bol” (wiederhole den Namen des Herrn). Einmal rief er einen Wäscher herbei und forderte ihn auf, Hari Bol zu sagen. Der letztere, der ihn für einen bloßen Bettelmönch hielt, antworte te ihm nicht und zollte seinen Worten keine Achtung, obwohl er sie zwei- oder dreimal wiederholte. Als der Wäscher sah, daß der Mann nicht von ihm abließ, sprach er — nur um ihn loszuwerden — widerwillig die Worte Hari Bol aus. Da diese Worte geladen waren, begann er unaufhörlich die Worte Hari Bol zu wiederholen und im Einklang mit dieser Weise zu tanzen. Die Anziehungskraft der Worte, die von einem ihrer Brüder ausgingen, steckte die ganze Gemeinschaft der Wäscher an. Und alle begannen im Refrain nach der Musik der Worte zu tanzen.

Wie können wir also Empfänglichkeit entwickeln? Das Mittel liegt in den Händen des Gurus, vorausgesetzt, daß er kompetent dafür ist. Die Welt ist voll sogenannter Gurus, von Meistern der Halbwahrheit oder nicht einmal das. Wie sehr sie sich auch eitel hervortun mögen, auf diesem Pfad ist dies von keinem Nutzen. Wenn wir einem wirklich kompetenten Meister begegnen, sollten wir ihn annehmen und uns ergebungsvoll an ihn binden. Über das wahre Bhakti wird gesagt:

Was ist die eigentliche Liebe?
Ein Sklave des Geliebten zu sein,
Herz und Seele ihm zu widmen, um sein zu werden.

Gibt es irgendeinen Menschen, der bereit ist sein Herz einem anderen zu geben, um sodann ohne Herz einherzugehen? Einmal fragte Hazur Baba Sawan Singh Ji: Ist jemand unter euch, sein Herz herzugeben, denn ich würde ihn gern ins Jenseits erheben.” Aus der großen Menge stand einer auf und antwortete: “Ich bin bereit, Euch mein Herz zu geben.” Hazur entgegnete: “Bist Du sicher, daß Du dein Herz besitzt? Mach es erst zu deinem Eigentum, und dann komm um es mir zu geben.” Dies ist also der Zustand unseres Herzens. Es ist schon in tausend Stücke zerbrochen. Es muß zuerst zu einem Ganzen gemacht werden, bevor wir es jemandem geben können. Wie setzt man das Herz wieder zusammen? Es heißt:

Ein vollendeter Meister kann das Herz in Ordnung bringen.
Das Heilmittel für das Gemüt kommt vom höheren Gemüt.

Ein vollendeter Meister kann durch Seine wohlausgerichtete Aufmerksamkeit die Stücke des zerbrochenen Herzens wieder zusammenfügen. Er hat einen lindernden Balsam für das zerrissene Herz und heilt es von seiner Krankheit. So ist die Hingabe an den vollendeten Meister eine Notwendigkeit. Wenn wir uns nur von außen zurückziehen, treten wir in eine friedliche Stille ein, selbst wenn wir in einer Menschenmenge sitzen. Das vor uns liegen de Problem ist, wie wir diese Herzenshaltung entwickeln können. Alle Weisen und Seher haben in ihrer jeweils unnachahmlichen Weise über dieses Thema gesprochen. Soami Ji sagt uns:

Hört von dem großen Wert der Liebe.
Alle Heiligen haben von ihr auf ihre Weise gekündet.

Diese Worte Soami Jis sind sehr einfach. Er spricht zu uns in leicht verständlicher Sprache von dem großen Verdienst liebevoller Hingabe, von der alle Meister in Ihren Schriften gesprochen haben.

Seid dessen gewiß, daß die Liebe der Pfad der Meister ist.
Alles andere außer der Liebe ist nur wertloser Plunder.

Der Pfad der Meister ist der Pfad der Liebe. Ohne Liebe vermögen wir nichts. Die Liebe verbindet zwei Seelen miteinander, und wenn man ganz in sie vertieft ist, wird man neh-karma (frei von den Auswirkungen des Handelns). Durch Jnana wiederum wird uns Wissen auf der Grundlage von Schlußfolgerungen zuteil. So besteht ein großer Unterschied zwischen Bhakti (liebevolle Hingabe) und Jnana (Wissen). Ohne Bhakti haben all unsere Handlungen (karm-kand) einen hohlen Klang. Damit ist nicht gemeint, daß Jnana und karm (Tätigkeit) keinerlei Frucht trügen. Beides trägt die eine oder andere Art von Früchten, gute oder schlechte, wie der Fall gerade liegt. Aber sie machen uns nicht neh-karma und wir können dem karmischen Zyklus nicht entkommen. Solange wir nicht tief in Bhakti eingetaucht sind, und das ist nur möglich, wenn wir uns über das Körperbewußtsein erheben. Die Wirklichkeit wird erst dann aufdämmern, wenn wir unserer Umgebung verloren sind und in die Einsamkeit unseres Herzens (Gemüts) eintreten.

Ohne Hingabe hat nichts einen echten Klang.
Es ist alles Spreu ohne Weizen.

Die Spreu ist, wie ihr wißt, etwas Nutzloses. Alle spirituellen Übungen _(Yogas),* welcher Art auch immer, sind von geringem Wert, solange ihnen nicht der Sauerteig von Bhakti beigemischt ist.

Gewinne einen festen Stand durch Bhakti,
und laß ab von allem Wissen, von aller Gelehrsamkeit.

Wir müssen uns also an den Pfad der Hingabe (bhakti) halten. In den Upanishaden heißt es, daß man die Wirklichkeit nur dann schauen kann, wenn die Sinne unterworfen, das Gemüt beruhigt und der Verstand ins Gleichgewicht gebracht wurde. Bhakti ist somit die große Hauptstraße zu Gott. Sich auf den Schwingen des Intellekts zu erheben ist eine Sache, und direkt in die göttliche Ekstase einzutauchen eine andere. Selbst große intellektuelle Riesen sind überwältigt, wenn sie einen Schimmer des Göttlichen entdecken. Nun sagt uns Soami Ji, was Bhakti (Hingabe) ist und wie es erlangt wer den kann:

Zuneigung, Liebe und Bhakti sind ein und dasselbe;
es sind drei Begriffe, doch im wesentlichen eins.
Liebevolle Hingabe ist der Pfad der Meister.
Alle anderen Pfade sind nur Sprößlinge des Gemüts.

In Bhakti gehen alle vier Aspekte des Gemüts — chit, manas, buddhi, ahankar (Erinnerung, denkendes Gemüt, Schlußfolgern, Intellekt und Egoismus) in liebevoller Hingabe auf.

Die Seele und die Überseele sind beide
in der Farbe der Liebe getaucht.
Die Hingabe offenbart nichts anderes als Sat Naam.

Der Schüler und der Meister sind eins.
Der vollendete Meister ist nichts als personifizierte Liebe.

Auch ihr seid eine Verkörperung der Liebe,
und so sind es alle Jivas (verkörperte Seelen).

Der Mensch ist ein Tropfen vom Meer der Liebe. Dem Anschein nach seid ihr Individuen. Aber wenn ihr eure Individualität verliert, werdet ihr ein Teil des Meeres und nur Berauschung um euch herum erfahren. Ein Moslem-Heiliger hat sehr gut gesagt:

Du bist ein Meer der Liebe, doch ohne Grenzen.
Ohne dich selbst IHM hinzugeben, gibt es keinen Ausweg.

Dies ist also der einzige Weg, den Geliebten zu finden. Ich und Du sind Begriffe im Bereich der Relativität und darum trügerisch. Buddhi oder der Intellekt mögen euch von ferne Einblicke geben, aber die Liebe oder Bhakti gewährt euch das unvergleichliche Juwel, wenn ihr wie ein Taucher in die Tiefe geht.

Der Unterschied zwischen beiden ist nur einer der Form,
so wie man zwischen einem Tropfen
und der wogenden Flut unterscheiden würde.

Soami Ji sagt:

“Ihr seid nur ein kleiner Tropfen des Ozeans,
während der Meister eine Flutwoge im Ozean ist.”

Ein Moslem-Heiliger erklärt:

“O Gott, es gab eine Zeit, da unsere Becher
voll des göttlichen Elixiers waren,
doch die Becher sind so sehr außer Gebrauch gekommen,
daß sie sogar den berauschenden Duft des Weines verloren haben.”

Tatsache ist, daß selbst jetzt das Meer der Berauschung in uns wogt, doch wir wissen es nicht, weil unsere Aufmerksamkeit nach außen gewandt ist. Es geht nur darum, sich der Gottheit im Innern zuzuwenden. Denn gegenwärtig sind wir nur an die äußere Welt gebunden und erlangen deshalb nur vergängliche Freuden, kurzlebig wie vorüberziehende Wolken. Wenn wir uns nur nach innen wenden und den göttlichen Wein kosten könnten — was für eine Glückseligkeit wäre das! Darum heißt es:

Liebe den, der bis zuletzt nicht wankt.
Ohne Liebe wird dein Gemüt keine Ruhe
und keinen Frieden finden.

Nehmt nur das Beispiel eines dahinströmenden Flusses zwischen den zwei Ufern. Im menschenlichen Körper des Meisters fließt der hörbare Lebensstrom, der Satguru oder Meister der Wahrheit genannt wird. Wir lieben den Meister, da es sein menschlicher Pol ist, über den sich die Gotteskraft offenbart. Dies ist der leichteste Weg, um mit der göttlichen Kraft in Verbindung zu kommen. Alle Bußübungen und Kasteiungen (jap, tap und sanjam) werden zu diesem Zweck unternommen, aber sie sind ihrer Natur nach unzulänglich. Wir nehmen zu solchen Übungen Zuflucht, um die Kraft der Liebe in Bewegung zu setzen, die uns schon als unser wahres Wesen innewohnt.

An einer Stelle ist es wie ein Ozean des Lichts,
an einer anderen ein bloßer Tropfen oder eine kleine Welle.

So stellen wir fest, daß dasselbe Licht alles in der einen oder anderen Form und in unterschiedlichem Ausmaß durchdringt. Wir sind wie Tropfen, und selbst als Tropfen haben wir unsere Identität in der tönernen Form verloren. Wir wissen nicht einmal, daß wir tatsächlich Tropfen vom Meer des Bewußtseins sind. Uns wird jedoch ein Schimmer davon zuteil, wenn unsere Aufmerksamkeit irgendwo gebunden ist. Es ist nur die Bindung, die uns ein Gefühl der Befriedigung gibt. Unser Trost und Wohlbefinden wird größer, wenn wir in eine Welle oder Flut des Bewußtseins eintauchen. Und wenn wir in diesem Meer aufgehen würden, könnt ihr euch gut vorstellen, wie es uns ergehen würde.

Die Seher und Heiligen sind die wogenden Fluten im Meer des Bewußtseins und daher nichts anderes als der Ozean selbst, der sich zwischen den Meeresküsten ergießt. Sie können mit der Brandung verglichen werden, die am Strand ausläuft, wo man sich ohne Gefahr ins Wasser begeben, ein Bad nehmen und, nachdem man sich dessen erfreut hat, wieder heimkehren kann. Wir müssen also einfach die Flutwelle lieben, die uns in ihrer Aufwärtsbewegung mit sich trägt.

Andernorts werden wir von Wünschen übermannt
und fangen an, uns in der Täuschung der Welt (Maya) zu verwickeln.

Ein wesentlicher Bestandteil der Liebe ist Bindung. Im Laufe der Zeit nehmen Bindungen die Form von Wünschen an. Je mehr wir den Wünschen nachgeben, desto mehr umgeben wir uns mit einer Täuschung und versinken darin. Die Folge davon ist, daß wir durch den so geschaffenen Antrieb immer wieder in die Welt kommen. Deshalb betonte Buddha so sehr die Wunschlosigkeit. Wenn es keinen Wunsch gibt, der uns an irgend etwas in der Welt bindet, wird der Kreislauf von Geburt und Tod zum Stillstand kommen. Im Schweigen des Herzens (der Dunkelheit hinter den Augen) entspringt das Licht auf natürliche Weise. Und mit diesem Licht kommt ebenso Naad (der hörbare Lebensstrom). Dieser hörbare Strom hat eine große erhebende Kraft.

In dem Maße, wie man fortschreitet,
vergeht allmählich die Täuschung.
Je näher man dem Ozean kommt,
desto mehr wird man gereinigt.

Wenn man sich auf der Flutwelle im Meister erhebt, legt man eine Unreinheit nach der an deren ab und wird zuletzt wunschlos. Es heißt:

Ich wünsche weder das Paradies noch die Erlösung,
ich wünsche nur die Liebe zu deinen Lotusfüßen.

Wir müssen zwischen zwei Dingen — der Liebe zur Welt und der Liebe zum Paradies — wählen und zu guter Letzt beide für die Liebe zum Herrn aufgeben.

Die Wogen der Flut sind frei von täuschender Materie,
denn groß ist das auf und ab wogende Meer der Liebe.

Wenn man sich über weltliche Wünsche erhebt, überwindet man alle Täuschung. Die Materie ist ein anderer Name für Täuschung (Maya). Erhebt man sich über die Materie, gelangt man in den Bereich der Wirklichkeit und ist jenseits der Täuschung. Alle materiellen Dinge werden durch die Kraft Gottes erhalten. Es ist diese Anziehungskraft, welche die Welt mit ihren verschiedenen Formen und Farben in der rechten Gestalt und Ordnung aufrechterhält.

ER ist ein gewaltiger Speicher der Liebe,
ein Speicher, der weder Anfang noch Ende hat.

Das Meer der Liebe ist grenzenlos, sagt ein persischer Mystiker. Dies ist die Stätte, von der die Heiligen kommen und wohin sie gehen. Ein Heiliger ist ein im Menschen offenbarter Gott. In Heiligen wirkt die Gotteskraft wie eine Flutwoge in Fülle. Wenn man sich von dieser Woge tragen läßt, erhebt man sich in die Gott heit, und wenn die Welle fällt, ergießt man sich mit ihr ins Meer. Es ist wirklich eine schöne Ausdrucksweise, mit der man ein abstraktes Thema wie dieses erklären kann.

Ein im Staub verlorener Tropfen ist sich der großen Quelle, aus der er kam, nicht bewußt. Nur wenn man das Menschliche in sich übersteigt, erhebt man sich über den Menschen und wird eine leben dige Seele. Man empfängt das Leben des Geistes von einer vergeistigten Seele (einem Heiligen), in der die Geistesströme in Fülle fließen.

Seht, welch große Wandlung der Tropfen erfahren hat, der einst mit dem Staub vermischt war. Im Gurbani heißt es: Selbst in einem ausgetrockneten Baumstumpf beginnt das Leben zu vibrieren.” Solange die Reben mit dem Weinstock verbunden sind, tragen sie reiche Frucht. All das entwickelt sich aus dem, was man Gurbhakti nennt.

Dies entsteht aus liebevoller Hingabe.
Lebt von göttlicher Nahrung in lieben der Ergebenheit.

Durch liebevolle Hingabe an den Gottmenschen kommt man Gott näher.

Gott ist Liebe und Liebe ist Gott,
und der Weg zurück zu Gott führt ebenfalls über die Liebe.

Wenn ihr dies erkannt habt, werdet ihr alle Kreatur liebent denn die Kraft Gottes wohnt seiner ganzen Schöpfung inne. All dies und noch mehr wird dem Tropfen des Bewußtseins zuteil, wenn er sich schließlich in das Bewußtsein erhebt und seine wahre Natur erkennt. Nur ein vollendeter Meister kann diesen Wandel bewirken.

Die Aufmerksamkeit kommt in der Gemeinschaft eines Heiligen zur Ruhe.

Nur dann gelangt das Gemüt zu einer gewissen Stille. Wenn wir bei einem Sadhu oder Heiligen sitzen, gehen wir eine Zeitlang in ihm auf und beginnen die Dinge richtig zu verstehen. Miteiner in dieser Weise auf die höheren Werte des Lebens gerichteten Aufmerksamkeit wird das Gemüt von seiner Antriebskraft losgelöst und stellt seine Aktivität ein. Und auch die Sinne verlieren ihre Anziehungskraft. Der Meister ist Allbewußtheit oder im Einklang mit dem Höchsten und strahlt göttliche Ströme aus, die das, individuelle Bewußtsein leiten. In diesem Zustand hören wir nicht, obwohl wir hören, und nehmen nicht wahr, obwohl wir sehen. Darum heißt es:

In der Gemeinschaft eines Gottmenschen kommt einem Gott näher.

Wenn wir aus dieser Atmosphäre heraustreten, sind wir wieder in der Wildnis der Welt verloren. Deshalb ist es notwendig, die Gemeinschaft hochentwickelter Seelen so oft wie möglich auf zusuchen, sei es viele Male am Tag, ein- bis zweimal täglich oder jeden zweiten Tag, einmal wöchentlich oder einmal in zwei Wochen, einmal im Monat oder alle drei oder sechs Monate einmal oder wenigstens einmal im Jahr. Kabir sagt:

“Wer nicht wenigstens einmal im Jahr
an den Meister denkt, erreicht nichts.”

Ich erinnere mich, wie ich einmal bei meinem Meister saß. Ein Herr kam nach fünf oder sechs Jahren aus Afrika und gab seiner Verwunderung über seine mißliche Lage Ausdruck, indem er sich auf die Worte Kabirs berief. Hazur entgegnete einfach: “Kabir mag so gesagt haben, ich habe es nicht gesagt.”

Tatsache ist, daß man Sauerteig von einem anderen bekommt. Man bekommt ihn nicht durch Lesen und Schreiben oder durch Vorträge über Jnana (Yoga des Wissens). Er ist eine Frucht von upasna, einem zusammengesetzten Wort (aup-asana, das “in der Nähe sitzen” bedeutet) — nahebei zu sitzen, mit ungeteilter Aufmerksamkeit, und alles andere zu vergessen.

Während des upasna gibt es eine Verbindung über die Augen. Ein mit der Gottheit geladener Körper kann auch euch aufladen, ganz gleich, wo ihr sein mögt. Wenn wir mit Hilfe des Fernsehens Dinge aus der Ferne sehen oder mit dem Radio Stimmen von weither hören können, dann ist es auch sicher möglich, die Ausstrahlung von Einem zu empfangen, der mit der Gotteskraft geladen ist, die alles durchdringt.

In dem Augenblick, wo ihr an diese Kraft denkt, materialisiert sie sich, und ihr könnt tatsächlich Seine Offenbarung wahrnehmen. Das hat nichts mit Wundern zu tun. Dies sind sichere Fakten, und mit ein wenig Bhakti oder Hingabe könnt ihr sie erfahren. Es ist das Wasser des Lebens, das euch, wenn ihr davon nehmt, mit ewigem Leben segnen wird. Ohne es sind alle eure Bemühungen vergeblich. Bhakti wird euch bei allen Bestrebungen, welcher Art auch immer, von großer Hilfe sein.

Gurbhakti ist also das erste und Wichtigste.
Durch Gurbhakti wird das Wort offenbar.

Gurbhakti ist somit der erste Schritt. Es bereitet den Weg für Naam-Bhakti. Es macht euch ganz aufmerksam, gewährt volle Konzentration und gibt euch eine innere Verbindung. Dies ist der Vorteil des Satsangs. Satsang bedeutet eine enge Verbindung mit Einem, der die personifizierte Wahrheit ist. Wenn ihr bei IHM sitzt, vergeßt ihr die Welt und alles, was zu ihr gehört. Seid für IHN empfänglich, dann werden euch alle seine Reichtümer zuteil. Darum heißt es:

“Wer versucht, sich ohne Gurbhakti in Shabd zu vertiefen,
müht sich vergeblich.”

Gurbhakti ist das ein und alles, ohne das es keinen Ausweg gibt. Das Leben kommt von wahren Leben. Es ist die Gemeinschaft, die einen Menschen prägt. Ich vertrete nicht die Kontemplation über irgendeine Form. Wenn Gott alles durchdringt, muß er sich selbst offenbaren. Wer sich selbst offenbaren kann, ist ein Gottmensch. Das ist der einzige Maßstab für die Beurteilung eines Gottmenschen.

Wenn ihr anfangt, euch eine Form vorzustellen und sie zum Gegenstand der Kontemplation zu machen, wird euch eure Gedankenkraft diese Form hervorbringen, welcher Art sie auch sein mag, und ihr werdet euch an ihr orientieren. Wer weiß, ob sie vollkommen ist oder nicht. Gott allein kennt den menschlichen Pol, über den er wirkt.

Die Form, die von selbst kommt und im Gemüt erscheint, ist im allgemeinen äußerst wertvoll. Gurbhakti ist der leichteste Weg, die Gotteskraft in einem zu offenbaren. Es besteht in unbedingtem Gehorsam gegen über dem, was der Meister sagt:

“So ihr mich liebt, haltet meine Gebote.”

Das ist Gurbhakti. Die Worte des Meisters müssen Evangelium für euch sein. Nehmt seine Worte an, praktiziert sie und macht sie euch zu eigen, wenn ihr von seiner Ausstrahlung Nutzen haben wollt.

Die ganze Welt sieht die physische Form des Meisters.
Die Erlösung kommt nicht einfach dadurch, daß man ihn sieht,
sondern indem man sich mit seinem Wort verbindet.

Liebt, und alle Dinge werden euch dazugegeben.

Es ist die Liebe, die euch allbewußt macht. Es ist die Liebe, die euch einen Platz im Herzen des Geliebten gibt. Es ist seine Liebe, durch die wir leben. Er wohnt in uns und liebt uns am meisten. Wir kennen seine Liebe nicht, noch haben wir Anteil an ihr, weil unsere Liebe unaufhörlich, in die äußere Welt fließt. Wir müssen zuerst die Richtung unserer Liebe ändern. Gegenwärtig lieben wir unseren Körper, unsere Familie und die Kinder, unseren Reichtum und Besitz und vor allem jede Art von Sinnesfreuden.

Man kann nicht Gott verehren und den Mammon. Ein wirklicher Wahrheitssucher trachtet immer danach, Gott am Altar eines Gottmenschen zu dienen. Deshalb die Notwendigkeit des Satsang, durch den ihr die göttliche Ausstrahlung direkt empfangt. Handlungen allein reichen nicht aus. Sie sind der erste Schritt. Solange man keinen Schimmer im Innern erhält, verläßt man die Ebene der Sinne nicht und kann sie nicht verlassen. Selbstprüfung ist der zweite Schritt. Ohne Selbstkritik kann man nicht vorankommen.

Der Mensch ist dreifach gesegnet. Der erste Segen kommt von Gott. Er hat uns die menschliche Form gegeben. Er hat uns die Flamme seiner Liebe entfacht. Er ist es, der uns zum menschlichen Pol führt, von dem aus er wirkt. Die nach der Rechtschaffenheit hungern und dürsten, werden unzweifelhaft mit dem Brot und Wasser des Lebens versorgt. Hier endet der erste Segen, der Segen Gottes. Als nächstes kommt der Segen des Gottmenschen, der uns in seiner Gnade annimmt, die Gotteskraft in uns offenbart und uns an diese Kraft anschließt. Nach der Hingabe an Gott und den Gottmenschen bleibt noch die Hingabe an unser “Selbst” (Seele oder Geist). Wahr sein zu sich selbst ist der letzte (dritte) Schritt. Wir müssen uns unseres eigenen Selbst wert erweisen. Selbstachtung liegt allem anderen zugrunde. Sie drückt sich in Selbstbeherrschung, gutem Willen, Achtung für die Rechte, Gefühle und das Wohlbefinden anderer aus, als wären sie die unseren.

Um wirklich gesegnet zu sein, segnet zuerst euch selbst, dann werden die Segnungen Gottes und des Gottmenschen einen unermeßlichen Lohn bringen.

Tut einen Schritt in der rechten Richtung, und die Gotteskraft wird euch Millionen Schritte entgegenkommen, um euch zu empfangen. Es ist immer besser, Gemeinschaft mit den Dienern des Herrn zu haben als mit solchen, die noch weit von ihm entfernt sind. Nehmt aber selbst die Worte eines Meisters nicht an, wenn er nicht imstande ist, euch eine tatsächliche Erfahrung von dem zu geben, was er verkündet. Wenn ihr davon überzeugt seid, dann seid auf ewig sein und glaubt an seine Worte, ganz gleich, wie fremd sie euch auf der intellektuellen Ebene erscheinen mögen. Ein Moslem-Mystiker geht soweit zu sagen:

Tauche den Gebetsteppich in Wein, wenn es dir aufgetragen wird,
denn der Reisende auf dem Weg ist mit den Windungen
und Krümmungen des Pfades wohlvertraut.

Ein Schülerkind kann das Warum und Weshalb von dem, was der Meister sagt, nicht verstehen. In dem Maße, wie es allmählich fortschreitet, beginnt es die Worte des Meisters zu verstehen. Wir müssen unbedingt die grundlegenden Dinge des Lebens annehmen, damit die Wahrheiten zu dämmern beginnen. Dann werden wir nach und nach auf dem Pfad vorankommen. In dem großen Ramayana-Epos heißt es:

Nimm als Wahrheit an, was immer du lernst.
Alles, was von der Mutter, vom Vater
und dem Lehrer kommt, ist nichts als die Wahrheit.

Ungeachtet des menschlichen Körpers ist der Meister das personifizierte Wort. Das Wort wird Fleisch, um die Menschheit auf der Verstandesebene zu unterweisen. Wir lieben den Meister, wenngleich Er unsere Liebe nicht erwartet. Wir lieben Ihn, weil wir Seine Liebe wünschen, die Liebe, die Er für Gott hat, und wir möchten uns diese Liebe zunutze machen.

Ihr habt vielleicht die Geschichte von Bhikha gehört, einem Mann Gottes. Einer seiner Schüler begann den Namen von Bhikha zu singen, als wäre es der Namen des Gottes. In jener Zeit wurde es als Blasphemie angesehen, wenn man Gott irgendeinen Namen gab. Er wurde vor dem Kadi oder Richter der Ketzerei angeklagt. Da nach gefragt, wer sein Gott sei, antwortete er: ‘Bhikha’. Und auf die Frage, wer sein Prophet (Rasul) sei, antwortete er wiederum: ‘Bhikha’. Durch seine eigenen Worte der Schuld überführt, verurteilte ihn der Kadi zum Tode und ließ dem Sultan (König) zur Bestätigung des Urteils die Dokumente aushändigen. Das gleiche Drama wiederholte sich vor dem Herrscher. Doch dieser war ein kluger Mann, und da er in den Augen des Angeklagten eine Art göttlicher Berauschung feststellte, bat er ihn, er möge seinen Bhikha um einen ergiebigen Regen bitten, da das Land unter einer schrecklichen Dürre litt. Mit fester Zuversicht antwortete der Ergebene: “Ja, ich werde es gewiß tun und für Euch den Regen von Bhikha erlangen.” Der Sultan befahl, die Strafe auszusetzen, und fragte ihn, wann er zurückkehren werde. Der Faqir (der Schüler von Bhikha) erwiderte, daß er in einigen Tagen wieder da sei. Am nächsten Tag regnete es sehr stark, und man konnte sehen, wie sich kilometerweit große Wasserlachen über das Land ausbreiteten. Am dritten Tag erschien der Ergebene vor dem Sultan. Dieser dankte ihm überschwenglich für die Güte, das Wasser für den ausgedörrten Boden erwirkt zu haben, und bot ihm eine Landschenkung (Sanad) an, die ihm — als Zeichen der Dankbarkeit des Sultans — die Besitzrechte über 21 Dörfer übertrug. Der Schüler schlug das Angebot aus, indem er sagte, daß sein Bhikha nichts annehmen könne, was vergänglich und unbeständig sei. Als er seinem Meister Bhikha begegnete, fragte ihn der letztere, warum er von ihm nicht etwas Höheres erbeten habe als nur den Regen, da er (Murshid oder Guru) zu dem Zeitpunkt, als die Bitte vorgetragen wurde, mit Mula (Gott) im Einklang gewesen sei und er es ihm leicht hätte erfüllen können.

Vorausgesetzt, der Meister ist ein vollendeter, so achtet er auf alle Bedürfnisse seiner Schüler und gewährt ihnen, was immer sie benötigen. Wenn jedoch der Meister ein weltkluger Mann ist, gibt er seinen Schülern nur Dinge der Welt und hält sie in der Welt verwickelt, wie er selbst es ist.

Es ist besser, das Wasser zu filtern, bevor man es trinkt,
und einen Meister zu prüfen, ehe man ihn annimmt.

Es tut nichts, wenn man sein ganzes Leben damit zubringt, einen wahren Meister zu suchen. Auch dies zählt zu eines Menschen Gunsten und wird als Hingabe angerechnet. Es bewahrt einen vor sogenannten Lehrern, von denen es auf der Welt keinen Mangel gibt. Wonach beurteilt man einen vollendeten Meister?

Einer, in dessen Gegenwart das Gemüt unterliegt,
ist natürlich ein wahrer Meister.

Des weiteren macht dieser Eine etwas von der Gotteskraft im Innern erkennbar, indem er das heilige Licht und den heiligen Ton offen bart.

Wer den Hörbaren Lebensstrom von oben herabholt,
ist einer, den ich als Gurudev verehre, sagt Kabir.

Das ist leichter gesagt als getan. Man kann Vorträge über äußere Praktiken halten, eine Menge über Jnana sprechen, die Schriften auslegen und Geschichten aus den Epen erzählen. Doch eine praktische Erfahrung davon zu geben ist etwas ganz anderes. Hazur (Baba Sawan Singh) sagte sehr häufig:

“Die fünf Namen, die euch gegeben werden, sind von keiner großen Bedeutung.
Ihr könnt sie überall haben, aus Büchern oder sonst woher.
Das Geheimnis hinter dem Wort liegt in der Ladung des Lebensimpulses
von oben den der Meister bei der Initiation gewährt.”

Damit verbunden und von gleicher Bedeutung ist Gurbhakti. Es besteht darin, den Weisungen des Meisters bis in das geringste Detail zu folgen. Sein Joch ist sanft, und seine Last ist leicht. Alles, was er verlangt, ist, eine gewisse Zeit mit ganzem Herzen der Meditation zu widmen und sich jeden Tag der Selbstprüfung zu unterziehen, damit wir wissen, in welchen Situationen des täglichen Lebens wir Fehler machen und versagen. Wie unruhig werden wir, wenn wir Hunger haben. Haben wir jemals daran gedacht, den Hunger der Seele zu stillen? Wie bedauerlich das ist: uns wird himmlische Nahrung gereicht, und wir finden keine Zeit, davon zu nehmen! Wir beklagen uns alle über einen Mangel an Zeit. Zeit und Gezeiten warten auf niemanden. Der Tod kennt keinen Kalender. Wir haben die Arznei bei uns, nehmen sie aber nicht. Wie können wir so den Tod, den letzten Feind der Menschen, besiegen?

Ein wahrer Meister befreit uns von allen Bindungen und Ängsten. Trotz der Tatsache, daß wir auf den Pfad gestellt wurden, sind wir ihnen noch nicht entronnen. Dies bedeutet, daß wir dem Meister noch sehr fern sind. Geringe Schwierigkeiten, seien sie persönlicher Art oder in der Familie, bringen uns aus der Fassung. Wir fürchten Armut und sind immer um unser Ansehen bemüht. Wir verzehren uns im ständigen Daseinskampf. All dies zeigt, daß wir noch immer ein Leben des Fleisches führen. Nur wenn wir uns über das Körperbewußtsein erheben; können wir mit der strahlenden Form des Meisters in Verbindung kommen, und das ist gemeint mit: dem Meister begegnen. Wenn wir einmal zu Füßen der strahlenden Form des Meisters gelangt sind, stehen wir über allen Nöten, seien es körperliche Leiden, Naturkatastrophen oder mentale Belastungen. Bis jetzt haben wir den Meister nur in der physischen Form gesehen, sind ihm aber noch nicht begegnet. Wir haben ihn gesehen, aber nicht erkannt.

Darum sagt Guru Nanak, daß nichts mehr zu tun bleibt, wenn man dem Meister begegnet ist. Wenn Er einmal den Geist des Schülers auf der inneren Ebene in seine Obhut nimmt, wird der Schüler vom gewaltigen Rad des Lebens befreit. Wenn er bis dahin den äußeren Freuden zugetan war, wird er nun zum Erkennenden, der sich um der spirituellen Nahrung willen der weltlichen Freuden enthält. Wir lesen nur die Schriften, geben uns aber keine Mühe, sie zu verstehen, geschweige denn zu praktizieren. Durch bloßes Lesen verstehen wir nicht. Weisheit ist etwas ganz anderes als Wissen. Wissen macht uns egoistisch, Weisheit bescheiden.

Einmal wurde ein gewöhnlicher Schnitter Prämierminister. Er erfüllte seine Pflichten sorgfältig und gewissenhaft, vergaß aber keinen Augenblick, was er wirklich war. Immer wenn er von seiner schweren Bürde befreit war, zog er sich in eine kleine Hütte am Ufer eines Flusses zurück. Er vertauschte dann seine reichen Gewänder mit seinen zerrissenen Lumpen, die er für gewöhnlich trug, und stellte sein grobes Arbeitsgerät vor sich hin, mit dem er sonst tätig war. Dabei brachte er Gott seine demütigen Gebete dar, der ihn zu der hohen Stellung erhoben hatte, die er so wenig verdiente. Die Höflinge des Königs lachten über ihn und zweifelten an der Weisheit ihres Herrn, der ihm dieses hohe Amt verliehen hatte. Der König achtete ihn jedoch sehr, da er seine einstige, wirkliche Position nicht vergessen hatte.

Wir haben alle vergessen, wer wir tatsächlich sind — was wir waren, bevor wir zu einem Meister kamen. Was immer wir sind, sind wir durch die Gnade des Meisters. Es ist dem Meister zu verdanken, der uns so viel gegeben hat und der verspricht, uns noch viel mehr zu geben. Wir müssen Ihm für all seine kostbaren Gaben dankbar sein und unser egositisches Selbst aus uns vertreiben.

Gewinne die Gnade des Meisters,
indem du dein Selbst in IHM verlierst,
und ER wird dir die Schätze der Liebe gewähren.

Dies ist die wahre Bedeutung des Begriffs Aarti. Damit ist gemeint, das “Ich” in ihm zu verlieren. In dem Augenblick, da ihr der Welt den Rücken kehrt und vollständig im Augen brennpunkt seid, wird er in seiner strahlenden Form zu euch kommen und euch mit sich nehmen.

Mit der Ankunft des Meisters auf der inneren Ebene wird man der König der Könige. Das ist die Vermählung der Seele mit der Überseele. Im Gurbani heißt es:

Die strahlende Form des Meisters gewährt euch ewiges Licht.
Mit der Vollendung von Gurbhakti vergehen alle Zweifel wie der Rauch.

Wenn der Tropfen in der Welle aufgeht, wird er mit dieser ein Teil des Meeres. Das ist die Bedeutung von Aarti. Ihr müßt das Licht in euch offenbaren und in dieses Licht vertieft sein, indem ihr alle Gedanken der “Ich-heit” vergeßt. Der heilige Paulus verkündet:

“Ich lebe; doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.”

Gurbhakti kommt als erstes, und es führt schließlich zu Naam-Bhakti. Ich würde sogar sagen, daß eine Verbindung mit dem Meister, dem personifizierten Wort, der Beginn von Naam-Bhakti ist. Wasser, Regen und Dampf sind in der Tat ein und dasselbe. Sie sind die verschiedenen Aspekte derselben Substanz mit verschiedenen Namen auf verschiedenen Ebenen.

Auf der physischen Ebene ist der Meister wie irgendein anderer Lehrer (Guru). Er spricht freundlich zu euch. Er liebt euch. Er tröstet euch. Er freut sich mit euch und leidet mit euch. Er gibt euch klugen Rat, indem Er euch die höheren Werte des Lebens vor Augen führt. All dies tut er, um euch nach innen zu führen.

Wenn ihr Seine Anweisungen befolgt und die physische Ebene überquert, kommt Er euch in Seiner strahlenden Form zu Hilfe, um euch auf dem inneren Pfad zu führen. Hier, in Seinem Lichtkörper, ist Er der Gurudev.

Wenn ihr das Ziel eurer Reise in Sat Lok erreicht, werdet ihr Ihn dort als Meister der Wahrheit (Satguru) finden, und nun erkennt ihr die Wahrheit der Aussage, daß es die Gotteskraft selbst ist, die Stufe um Stufe in Ihrer Fülle mit euch war. Er ist Gott im menschlichen Pol, durch den die Gotteskraft wirkt.

Es ist Seine Kraft, die das Bewußtsein weckt, wenn Sie im menschlichen Gehirn (Verstand) und durch es wirkt. Zieht sie sich zurück, erlischt das Bewußtsein. Diese Dinge müßt ihr selbst verstehen und erkennen, denn nicht einmal mit vielen Worten können sie angemessen erklärt werden. Ihr mögt auf intellektueller Ebene für einen Augenblick einen Schimmer davon erfassen, aber Berauschung und Ekstase werden euch erst zuteil, wenn Gurbhakti vollständig ist und der Meister in seiner strahlenden Form erscheint.

Der Herr der Seele sagt euch zu guter Letzt,
daß ihr nun den Lohn von Gurbhakti empfangen sollt.

Diese Worte sind von Soami Ji Maharaj; die in ihm wirkende Gotteskraft hat Ihr letztes Urteil verkündet. Dies ist in der Tat das höchste Gut des Lebens, und man erreicht es durch Gurbhakti.

Die Liebe zur Welt wird euch in die Welt hinabziehen, während euch die Liebe zu Gott dich vor den Thron Gottes führen wird. Liebe ist die Eigenschaft unserer Seele. Wir müssen nur ihre Richtung von der einen Seite zur anderen ändern.

Die Augen eines Sadhu fließen über von der Liebe des Herrn.
In seiner Gemeinschaft werden auch wir inspiriert.

Dies ist also der einzige Weg für die Seele, eins zu werden mit der Überseele. Wir müssen deshalb um die Liebe des Herrn bitten. Guru Amardas sagt in diesem Zusammenhang:

“Verflucht ist das Leben, in dem man keine Liebe für den Herrn hat.”

Nach einer langen Suche von über 70 Jahren kam Guru Amardas zu diesem Schluß. Nur in der menschlichen Geburt kann man seine angeborene Liebe entwickeln und zu einer hellen Flamme entfachen. Er fährt fort zu erklären:

“Was immer uns von dem Herrn wegführt, ist von keinem Nutzen.
Hierin besteht der Unterschied zwischen guten und schlechten Taten.”

Gute Taten führen uns zu Gott, während schlechte von ihm wegführen. So ist die Liebe zu Gott der Prüfstein für alle unsere Handlungen.

Niemand fordert euch auf, der Welt zu entsagen und in die Einöde zu gehen. Während wir in der Welt sind, müssen wir uns um die weltlichen Angelegenheiten des Lebens kümmern. Man muß sich nur um sie kümmern, aber darf sich nicht von ihnen überwältigen lassen. Seid stetig wie die Nadel des Kompasses, die aufgrund der magnetischen Anziehungskraft immer nach Norden weist — Gott ist unser magnetischer Pol. Wir müssen innerlich auf IHN ausgerichtet sein.

Entsagung besteht nicht darin, die Welt zu verlassen. Wir müssen uns lediglich von einer Seite lösen und auf der anderen binden, während wir in der Welt leben. Dies ist wahre Entsagung. Sie kommt zustande, indem wir uns nach innen wenden und dann erwägen, was am besten für uns ist.

In den Auseinandersetzungen der Welt, gibt es etwas das von Dauer ist? Ja, das Heilige Wort, die disziplinierte Seele, den Gottmenschen und Gott. Das Heilige Wort, die allesdurchdringende Kraft Gottes, ist ewig. Wir müssen uns an diese Kraft binden. Wer kann uns zu Ihr führen? Nur eine wahre disziplinierte Persönlichkeit oder ein Gottmensch, in dem die Gotteskraft offenbart ist. Es ist seine Aufgabe, euch zur Ruhe zu bringen.

Wir müssen deshalb die Wirklichkeit finden, die allein von Dauer ist. Laßt uns mit der Wirklichkeit verbunden sein, dann werden auch wir wirklich: Maulana Rumi ehrt seinen Meister (Shamas-i-Tabrez) mit wunderbaren Worten, wenn er sagt:

Ich konnte nicht werden, was ich bin, wenn es nicht
durch die Gnade des Meisters Shamas-i-Tabrez gewesen wäre.

In ähnlicher Weise hatte König Janaka eine praktische Erfahrung des Jnana (Yoga des Wissens) durch Maharishi Ashtavakra. Arjuna erhielt einen Schimmer des Göttlichen im gesegneten Lord Krishna. Swami Vivekananda erhielt seinen Lebensimpuls von Paramhansa Ramakrishna. Das Leben eines Schülers nimmt die Gestalt seines Meisters an. Wenn man mit der Gotteskraft im Meister in Einklang kommt, wird man das Sprachrohr des Meisters — ein würdiger Schüler.

Einmal sagte Hazur nach der Initiationszeremonie in Lahore zu mir: “Ich habe die Saat des heiligen Wortes ins Herz dieser Menschen gelegt. Du wirst sie mit dem Wasser des Lebens zu nähren haben.” Ich antwortete: “Was kann das arme Wasserrohr tun? Was auch immer an lebenspendendem Wasser kommen wird, wird gewiß weitergegeben.” Käme kein Wasser, würde selbst das Rohr trocken, und niemand hätte irgendeinen Nutzen dadurch. Man muß den Meister deshalb immer im Sinn behalten.

Maulana Rumi sagt darum nachdrücklich:

O Herr der Schenke, gieße immer deine Gnade über mir aus,
denn ich bin Dein Sklave und verherrliche Dich.

In der Verherrlichung des (wahren) Meisters liegt die Glorie des Schülers. Der Schüler ist nichts ohne die goldene Verbindung mit dem Meister. Ein wirklicher Schüler wird nie müde, seinen Meister zu preisen. Was immer er tut, tut er im Namen des Meisters. Er ist ein wahrer Verehrer Gottes im Meister. Guru Nanak sagt:

“Es gibt für mich keinen anderen Zufluchtsort als den im Meister.”

Es mag einer ein Gottmensch oder ein Mensch Gottes sein, zwischen beiden gibt es keinen Unterschied. Ein Zechbruder schwelgt immer in der Gemeinschaft eines anderen Trinkers. Guru Arjan, Chajju Bhagat und Hazrat Mian-Mir waren große Freunde. Guru Arjan stellte den heiligen Granth zusammen, indem Er die Schriften aller erleuchteten Seelen, wo immer Er ihrer habhaft werden konnte, sammelte, ungeachtet der Religionszugehörigkeit. Es ist ein großes, monumentales Werk in Form eines Blumenstraußes, der an verschiedenen Orten gepflückt wurde. Es ist eine Festhalle der Spiritualität. Darin zeigt sich der universale Geist, der dem großen Autor Guru Arjan eigen war. Was finden wir im Gegensatz dazu heute vor? Gemeinschaften, die sich nach allen Seiten abschotten und versuchen, einander auszuboten. Ein wirklich spiritueller Mensch wird niemals so etwas tun. Er wird niemals irgendwelche Barrieren für seine Schüler errichten. Hazur pflegte zu sagen:

“Ich habe euch das Beste gegeben, was ich habe.
Jetzt steht es euch frei, hinzugehen, wo immer ihr wollt.
Wenn ihr etwas Besseres findet als das, was ich euch gegeben habe,
dann laßt es mich wissen und nehmt mich mit.”

Wir sollten nur Verehrer der Wahrheit sein. Politische Handlungen würden nichts nützen. Diejenigen, die eine wirkliche Erfahrung von der Gotteskraft im Innern haben, können sich nur gegenseitig lieben, da sie alle von dem heiligen Geist bewegt werden, der in allen Herzen wirkt. Wir jedoch halten unwesentliche Dinge für wesentlich:

Wenn man mit einem Sadhu in Verbindung kommt,
vergißt man auf der Stelle alles außer sich selbst.
Alle Feindseligkeiten und Eifersüchteleien sagen Lebewohl,
und man wird ein Freund aller.

Dies ist nun der größte Nutzen, den man von einer hochbeseelten Persönlichkeit haben kann. Als Amir Khusro zu Füßen von Khwaja Nizamuddin Aulia kam, fingen die Leute an, ihn einen Götzendiener zu nennen, weil er in seinem Lehrer nichts Geringeres als Gott sah. Wißt ihr, welche Antwort er gab?

Die Menschen lachen über mich, weil ich ein Götzendiener sei.
Nun gut, ich bin es. Was hat die Welt mit mir zu schaffen?

Amir Khusro wußte um die Größe seines Meisters. Nur ein wirklicher Schüler weiß, was sein Meister ist. Die Mehrheit der Menschen weiß im allgemeinen nichts davon. Die erleuchteten Seelen kommen immer wieder mit ihren spirituellen Reichtümern in die Welt, doch wir wissen nichts von ihrer Größe und fangen an, sie zu kritisieren.

Spiritualität ist die Wissenschaft der Selbstanalyse. Wir müssen die Seele aus der Knechtschaft von Gemüt und Materie befreien, bevor wir die göttliche Berauschung kosten können. Maulana Rumi hat die Größe seines Meisters sehr schön auf folgende Weise beschrieben:

Eines Tages sah ich, daß die Kaaba sich immer wieder
um die Straßenecke drehte, wo ein göttlicher Mensch lebte.
Ich fragte Gott, was für ein Mensch das sei, ein Engel oder ein Satan.

Nur ein Mensch, dessen innere Schau entwickelt ist, kann so sprechen. Allein der, welcher den Nektar gekostet hat, weiß, was es ist. In der Gemeinschaft eines solchen Sadhu fühlen wir uns wie von einer Welle erhoben. Solange wir nicht mit einem Gottmenschen in Verbindung kommen, können wir dies nicht erfahren. Wir mögen unser ganzes Leben lang verdienstvolle Taten vollbringen, aber wir können auf diese Weise der Wirklichkeit nicht näher kommen. Die Schriften sind voll spiritueller Erfahrungen derer, die diesen Pfad beschritten haben. Wenn wir einen Gottmenschen lieben, lieben wir die Gottes kraft in Ihm. Ein Gottmensch erfreut sich der Liebe Gottes. Wir jedoch lieben die Welt. Wir leben und sterben für die Welt. Laßt uns seine Liebe gewinnen oder verfehlen. In beiden Fällen gelangen wir zu ihm. Kabir sagt:

Setze Körper, Gemüt und Seele für den Herrn aufs Spiel,
wage alles, um seine Liebe zu gewinnen.

Jeder setzt alles, was er hat, für die eine oder andere Sache aufs Spiel. Man kann dies tun, um entweder Güter dieser Welt oder den Reichtum Gottes zu erlangen. Jeder muß zwischen beiden wählen:

Ich habe gewürfelt, um den Herrn zu gewinnen.
Ich spiele, um IHN zu gewinnen oder zu verlieren.
— Kabir

Dies ist das Spiel, dem sich Kabir hingibt. Wir dagegen setzen auf die Welt, was zur Folge hat, daß wir in diesem Spiel endlos steigen und fallen. Weiter sagt Kabir:

Wenn ich verliere, verliere ich mich an den Geliebten.
Wenn ich gewinne, gewinne ich den Geliebten.

Wie ihr seht, gelangen wir in beiden Fällen zu IHN — entweder dadurch, daß wir das Spiel an Ihn verlieren, oder, indem wir Ihn völlig gewinnen. In beiden Fällen bleibt ihr in der Welt, setzt die euch zugemessene Lebensspanne fort, doch nicht als Sklave, sondern als Herr des Hauses (dem menschlichen Körper) — das Haus das uns für genau diesen Zweck gegeben wurde. In diesem Haus können wir Schimmer des ewigen Lebenslichtes erlangen, vorausgesetzt, wir gehen zu Einem, in dem das Licht des Lebens in Fülle erstrahlt. Es ist die Gemeinschaft, die einen Menschen prägt. Eine gute Gemeinschaft macht euch gut, während eine schlechte Gemeinschaft euch schlecht macht. Darum heißt es:

“Bei einem Wali (Heiligen) auch nur
für eine kurze Zeit zu sitzen ist weit besser,
als sich Hunderte von Jahren
aufopferungsvollen Handlungen zu widmen.”

Es ist eine Frage der Empfänglichkeit. Wenn ihr wirklich empfänglich seid und der Guru ein wahrer Guru ist, tritt ein sofortiger Wandel ein. Selten ist in der Tat ein vollendeter Meister, und genauso selten ist auch der Schüler, der mit voller Aufmerksamkeit vor Ihm sitzt. Je mehr ihr den Meister lieben würdet, desto leichter würde der Pfad, und ihr könntet die sonst lange Reise in diesem Leben beenden. Alles, worauf es ankommt, ist, aus dem Körperbewußtsein herauszukommen und zu Füßen der strahlenden Form des Meisters zu gelangen. Wenn ihr dies erreicht habt, ist es die Pflicht des Meisters, euch Stufe um Stufe weiter nach oben zu bringen, bis ihr die wahre Wohnstatt eures Vaters erreicht. Keine Macht der Erde kann euch dann nach unten ziehen, es sei denn, ihr werdet von der Meisterkraft in die Welt gesandt, um im Werk der Erneuerung zu helfen.

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