Riten und Rituale in den Religionen

Ihre verschiedenen Formen und ihr Wert

(Spiritualität — Kapitel 2.5)

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2   Wahre Religion ist universale Liebe und Erinnerung an Gott
2.1 Alle Menschen haben von Gott die gleichen Rechte erhalten
2.2 Religiöse Unterschiede
2.3 Erinnerung an Gott
2.4 Die grundlegenden Wahrheiten
2.5 Riten und Rituale in den Religionen

Riten und Bräuche wie auch Formen und Zeremonien spielen in jeder Religion eine wichtige Rolle. Die Unterschiede in Ritualen und Bräuchen und in den äußeren Formen und Zeremonien der verschiedenen Religionen werden durch unterschiedliche Bedingungen wie das Klima, das in den einzelnen Ländern vorherrscht, und die Lebensweise der Menschen bestimmt.

Nehmen wir zum Beispiel Arabien, es ist ein Wüstenland. Wegen der Wasserknappheit wird es für den Araber als ausreichend angesehen, nur Gesicht, Hände und Füße zu waschen, bevor er betet. Wo gar kein Wasser zur Verfügung steht, reinigt er sie stattdessen mit Sand. Dieses Ritual ist als Tayamum bekannt. Ähnlich wird in Bikaner angenommen, einem weiteren Wüstengebiet im Nordwesten Indiens, wo Wassermangel herrscht, dass wenn jemand mehr als zehn Liter Wasser am Tag verbraucht, er sich wegen seiner Verschwendung vor Gott verantworten muss.

Im restlichen Indien und an anderen Orten, wo Wasser in Fülle vorhanden ist, würde sich keiner zur Meditation setzen, ohne vorher ausgiebig und nach Herzenslust gebadet zu haben. Im Westen betreten die Menschen die Kirchen mit Schuhen an den Füßen und nehmen ohne Kopfbedeckung am Gottesdienst teil. Im Osten ist es genau umgekehrt. Ein Orientale würde niemals einen Tempel oder eine Gurdawara (Sikh-Tempel) betreten und dem Gottesdienst beiwohnen, ohne seinen Kopf bedeckt und seine Schuhe ausgezogen zu haben.

In beiden Fällen ist das Gleiche beabsichtigt: eine respektvolle und ehrfürchtige Haltung für heilige Orte zu zeigen. Infolge der klimatischen Bedingungen, wie dem kalten Klima im Westen und dem heißen im Osten, wurden in den unterschiedlichen Teilen der Welt auch andere Formen der Gottesverehrung angenommen.

Alle Bräuche und Rituale stehen im Zusammenhang mit dem menschlichen Körper und sind mehr oder weniger ein Teil des sozialen Verhaltens. Das eigentliche Ziel ist, in jedem Fall Reinheit und Achtsamkeit einerseits und eine respektvolle Haltung andererseits sicherzustellen, bevor man in die Gegenwart Gottes geht.

Die äußeren Formen, die jemand annimmt, um dieses Ziel zu erreichen, sind für Gott bedeutungslos. Er liebt Seine Geschöpfe unabhängig davon, wie und auf welche Art sie angezogen sind, wenn sie zu Ihm kommen, so wie auch jeder irdische Vater seine Kinder liebt, ob sie nun kostbare Kleider oder Lumpen tragen.

Hier erhebt sich wie von selbst die Frage: Wenn die Liebe die universale Religion für die gesamte Menschheit ist, wie konnten sich die Menschen dann in so viele engstirnige und hermetisch abgeschlossene Gruppen aufsplittern, obwohl die Grundlagen in allen Religionen einheitlich sind?

Diese Aufspaltung in Gruppen ist auf die Unterschiede in den Glaubenssätzen zurückzuführen, die im Laufe der Zeit starr und unflexibel werden.

Als Guru Nanak nach Mekka reiste und die Verehrung des Höchsten Gottes predigte, sagten die Muslime, dass es zwischen seinen Lehren und denen des Islams keinen Widerspruch gäbe. Daraufhin erklärte Guru Nanak, dass die absolute Einheit das Zentrum seiner Lehren bildet, während ihre mit Einschränkungen umgeben seien und deshalb nur eine relative Einheit darstellten. Er sagte, dass Gott zahllose Propheten und Meisterseelen in die Welt geschickt habe, um von Zeit zu Zeit die Menschen zu leiten, und dass Er dies auch in Zukunft tun werde.

Das Gesetz von Bedarf und Versorgung ist sowohl in der Natur als auch im Menschen immer wirksam, und so können der Gotteskraft keine Grenzen gesetzt werden, Mittler und Versöhner in die Welt zu senden. Auf ähnliche Weise entstanden von Zeit zu Zeit in den verschiedenen Ländern und Regionen der Welt religiöse Überlieferungen und Schriften wie die Veden, der Koran und die Bibel, und das wird auch nie enden.

Gott ist unendlich, und der Mensch als endliches Wesen kann unmöglich Seine Absicht und das Wirken Seines Willens erkennen, noch kann er von Seinen grenzenlosen Tugenden angemessen singen. Je näher man Ihm kommt, desto größer wird Er in Seiner Macht und Herrlichkeit — zu tief für das menschliche Fassungsvermögen, um Ihn zu durchdringen und zu begreifen. Ein Fisch, der im Meer lebt, kann dessen Tiefe und Ausmaß nicht erkennen.

“Du bist ein allwissender Ozean, und ich,
eine unbedeutende Krabbe,
kann Deine ungeheure Größe nicht ergründen.”
— Guru Granth Sahib, Sri Rag M.1

Gott ist unendlich, und alle Vorstellungen der Endlichkeit, die Ihm zugeschrieben werden, sind ein Widerspruch in sich selbst — beides zusammen ist vollkommen unvereinbar. Er schuf unzählige Brahmas, Vishnus, Shivas, Gorakhs und Naths, Ramas und Krishnas, Buddhas, Christusse und Mohammeds. Sie alle waren Fackelträger Seines Lichtes und es werden noch viele kommen — gemäß den Bedürfnissen und Erfordernissen der Zeit. Da der Mensch endlich ist, kann er unmöglich den Unendlichen und Seine unergründlichen Wege erkennen, durch die Er erreicht, was Er beabsichtigt.

Je weiter der Mensch in bloßem weltlichen Wissen und Gelehrsamkeit fortschreitet, desto mehr entfernt er sich von Ihm, und die Bereiche erhabener Herrlichkeit entschwinden seinen Blicken.

Gott ist tatsächlich unermesslich, doch wir begrenzte Wesen versuchen, Ihn mit messbaren und beschränkten Begriffen einzugrenzen. Denn solange wir nicht eins mit Ihm werden, können wir Ihn überhaupt nicht erkennen.

“Du bist unermesslich.
Wie können wir als begrenzte Wesen
Dich, o Herr, erkennen?”
— Guru Granth Sahib, Sorath M.5

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